Neurodivergenz im Fokus: Auftaktseminar - Neurodivergenz in der Diagnostik: Klarer sehen, differenzierter entscheiden, wirksamer kommunizieren

Inhalt:

Neurodivergenz beschreibt unterschiedliche Denk-, Wahrnehmungs- und Verarbeitungsweisen als Teil menschlicher Vielfalt. Im Workshop geht es nicht nur um eine theoretische Einführung, sondern darum, was dieses Verständnis in der Praxis verändert: Wie wir Diagnosen stellen und einordnen, wie wir darüber sprechen und wie wir Teilhabe für Betroffene besser ermöglichen können.

Neurodivergente Profile zeigen sich in der klinischen Praxis oft deutlich komplexer, als es Diagnosemanuale nahelegen. Viele Klient:innen weisen Merkmale auf, die nicht eindeutig einer einzelnen Diagnose zugeordnet werden können. Häufig überlappen sich Anzeichen von ADHS, Autismus-Spektrum, Hochbegabung, Dyslexie, Dyskalkulie oder Tic-Störungen, treten gemeinsam auf, werden maskiert oder lassen sich nur schwer von anderen Syndromen abgrenzen.

In diesem Workshop geht es darum, diese komplexen Muster im diagnostischen Alltag sicherer zu erkennen, einzuordnen und klar zu kommunizieren. Die Teilnehmenden arbeiten mit konkreten Fallkonstellationen, analysieren diagnostische Graubereiche und lernen, wie Sprache und Haltung den Verlauf und die Wirkung einer Abklärung wesentlich prägen.

Ein Schwerpunkt liegt auf differenzierter Einschätzung und professioneller Rückmeldung. Die Teilnehmenden werden sensibilisiert, wie sie Diagnosen so kommunizieren können, dass sie sowohl fachlich präzise als auch für Klient:innen verständlich und respektvoll sind. In Fallbeispielen wird veranschaulicht, wie ein vertieftes Verständnis für neurodivergente Denk- und Wahrnehmungsweisen ermöglicht wird.

Dieser Workshop vermittelt keine Testverfahren, sondern stärkt die diagnostische Entscheidungskompetenz, Kontextsensibilität und kommunikative Präzision.

Diese Veranstaltung ist Auftakt einer Reihe von kürzeren Online-Sessions (4UE) zu Spezialthemen von Neurodivergenz (Termine und Themen folgen in Kürze).

Literatur:

Dwyer, P. (2022). The neurodiversity approach(es): what are they and what do they mean for researchers? Human Development, 66(2), 73–92.
Kotov, R. et al. (2017). The Hierarchical Taxonomy of Psychopathology (HiTOP): A dimensional alternative to traditional nosologies. Journal of Abnormal Psychology, 126(4), 454–477.
Largo, R., Jenni, O. (2005). Das Zürcher Fit-Konzept. Familiendynamik, 30 (2), 111-127.

Zur Person:

Christine Wyss ist Fachpsychologin für Psychotherapie FSP und hat ein PhD in Neurowissenschaften mit Schwerpunkt auf neurophysiologischen Biomarkern in der Psychiatrie. Sie arbeitete an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, wo sie neuropsychologische Testungen durchführte. Heute leitet sie die Praxis NeuroSpektrum Zürich und ist auf die Diagnostik und therapeutische Begleitung neurodivergenter Menschen spezialisiert. Ihr Ansatz verbindet neurowissenschaftliche Erkenntnisse mit einer ressourcenorientierten Haltung mit dem Ziel, wissenschaftliche Präzision und individuelle Teilhabe zu vereinen und die Selbstwirksamkeit der Betroffenen nachhaltig zu stärken.